Der Frühling prägt die Berliner Luft, doch es ist auch eine gewissen Anspannung spürbar, weil der Bahn-Streik die S-Bahn weitgehend lahm gelegt hat und daher die U-Bahnhöfe immer voller werden. Das stört mich weniger, ich bin schon früh aufgestanden, um rechtzeitig zur Internet-Konferenz re:publica zu kommen und dafür muss ich lediglich ein paar Stationen mit der U12 hinter mich bringen.
re:publica, Google und Suchmaschinen-Optimierung
Da ich nicht auf der Veranstaltung mit vielen SEO-Fragestellungen konfrontiert wurde, bzw. SEOs wohl nicht zu den prägenden Fragestellungen der Teilnehmer gehörte, sollte ich wohl kurz erläutern, welchen Stellenwert diese Berlin Veranstaltung hat. Die re:publica ist eine für jeden Interessenten offene Konferenz zum weiten Themenfeld von Internet und Gesellschaft, neuen Medien und Online-Marketing, Veränderungen der Gesellschaft durch zunehmende Digitalisierung, Datenüberwachung, Big Data und den vielen damit zusammenhängenden Fragen. Jedes Jahr im Berliner Frühling trifft sich die Szene. Da deren Themen immer wieder auf Google führen, war SEO hier ein Subthema, obwohl die Kenntnisse davon bei den Teilnehmern eher rudimentär zu sein scheinen. Neben dem SEO-Thema habe ich auf meinen Blog train-und-coach noch viele weitere Aspekte der re:publica aufgegriffen.
Zwar gibt es das Internet genauso wenig wie die Welt, doch anscheinend führen viele Themen über kurz oder lang auf die Suchmaschine Google. So berichten die Macher von Bezahlt-Fernsehen darüber, dass sie allein, um ihren Claim zu sichern, von sich aus direkt nach relevanten Ereignissen (wichtige Tore) Fotos und Texte öffentlich zur Verfügung stellen, weil dies sonst andere tun und sie damit wichtige Ranking-Positionen bei Google oder Facebook verlieren. Auch die Macher der öffentlich-rechtlichen Fernsehmedien haben Reichweite im Blick, wenn sie auf YouTube oder in anderen Plattformen platzieren und wenden hier auch SEO-Techniken an.
Google, SEO, Filter-Blase und Algorithmen
Google und andere größere Internet-Unternehmen haben zwar kein gutes Image bei den Teilnehmern, doch keiner will auf diese Suchmaschine verzichten und der Weltmarktführer für Betriebssysteme (auch ein Sponsor) muss es hinnehmen, dass auf fast allen eingesetzten Rechner das Logo mit dem Apfel gut erkennbar ist.
Mein Eindruck ist allerdings, dass bei vielen Teilnehmern und auch bei manchen Referenten deutlich Unklarheiten dabei bestehen, eine einigermaßen realistische Einschätzung von Algorithmen zu gewinnen, wie sie beim Ranking von Suchmaschinen und beim Anzeigen von Postings auf Facebook wirksam werden. Das Internet und seine Algorithmen wird zu einer Black-Box, deren Ergebnisse ergeben hingenommen werden. Die These von der Filter Bubble wird weitgehend unkritisch übernommen und ist in vielen Referaten ein Standard-Argument, wenn von den Gefahren des Internet gewarnt wird. Kritisch denkende Referenten wie Johannes Kleske verweisen allerdings darauf, dass Googles und weitere Algorithmen nur funktionieren, wenn es sehr viele Klick-Worker gibt, die tagtäglich die Ergebnisse der Systeme prüfen, um ihre Leistung kontinuierlich zu verbessern.
Hier ist auch der Hinweis auf die Google Quality Rater relevant, die recht aufwendig an Stichproben prüfen, ob und wie gut die jeweiligen Webseiten zu den Suchanfragen passen. Dass Algorithmen wie der PageRank nur Menschenwerk ist, das laufend weiterentwickelt und kritisch bewertet werden muss, ist eine Erkenntnis, die noch lange nicht bei allen Nutzern und Unternehmen angekommen ist.
Profis der SEO könnten diese Bildungslücken nutzen, um proaktiv auf ihr Geschäftsfeld hinzuweisen. Wenn man klarmacht, dass und wie man nachhaltig das Ranking in seinem Sinne beeinflussen kann, dann wird die Mystifikation des alles beherrschenden Algorithmus zurückgedrängt und es werden Perspektiven deutlich, wie man den eigenen Erfolg (Geschäftserfolg oder Gestaltung der persönlichen Reputation) verbessern kann. Mit diesem Bildungsansatz verliert man allerdings als SEO den Nimbus des Wahrsagers, dem manche Vertreter der Branche noch nachtrauern. Das halte ich nicht für einen Nachteil, weil man auch als SEO immer noch ein bisschen Guru oder Nerd bleiben darf, wenn dies dem Erfolg der Auftraggeber dient.