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Filter Bubble oder Filter Clash?

Immer wieder neu wird die Frage gestellt, ob die zunehmende Internetnutzung (Suchmaschinen und soziale Netzwerke sind hier die relevanten Beispiele) zu einer Filter Bubble (Filter-Blase) führen und diese laufend vergrößern. Wäre ein einfaches Ja die richtige Antwort, dann ergäben sich hieraus weitreichende Konsequenzen für Online-Marketing und Suchmaschinen-Optimierung.

Die Theorie der Filter Bubble geht ungefähr so: Suchmaschinen wie Google und soziale Netzwerke wie Facebook haben das Ziel, ihre Nutzer möglichst lange auf ihren Seiten zu halten, denn je länger der Aufenthalt, desto mehr Möglichkeiten gibt es, Werbung zu zeigen, bzw. Werbeklicks zu generieren. Wie hält man aber die Nutzer länger auf den eigenen Seiten? Man gibt ihnen mehr und mehr von dem, was sie lesen wollen, worin sie ihre Meinung bestätigen können. Also entwickelt man Algorithmen, die das Nutzerinteresse möglichst genau bestimmen und gibt dann im Stream und in den Suchmaschinen-Ergebnisseiten genau das aus, was dem Nutzerinteresse entspricht.

Wenn Nutzer gerne Autofahren, dann fänden sie überwiegend Meldungen vor, die das Autofahren fördern. Sind sie hingegen Autohasser, dann bekämen sie Meldungen, die den öffentlichen Verkehr hochjubeln. In der Konsequenz würden sich dann die kognitiven Welten der Nutzer mehr und mehr auseinander entwickeln. Eine gesellschaftliche Kommunikation über die Zukunft des Verkehrs wird schwieriger, schließlich bewegen sich die unterschiedlichen Nutzergruppen in getrennten Welten und sie verstehen nicht mehr, was der andere meint oder sagt.

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Auf den ersten Blick erscheint die Filter Bubble als gut bestätigt. Phänomene wie die Brexit-Abstimmung oder die Wahl von Donald Trump sowie der Aufschwung einer Vielzahl von Verschwörungstheorien sind scheinbar überzeugende Bestätigungen der Filter Bubble. Doch die so souverän wirkende Theorie muss immer wieder neu auf den Prüfstand gestellt werden, weil sonst die Handlungsorientierung für Marketing und SEO in die falsche Richtung geht.

Was folgt nämlich aus der Theorie der Filter Bubble? Man muss sein Marketing auf Segmentierung abstellen. Man muss seine Zielgruppen möglichst differenziert erfassen und diesen jeweils spezifisch das sagen, was diese hören wollen. Auf „große Erzählungen“, auf allgemeine Botschaften sollte man verzichten, weil es keine Allgemeinheit mehr gibt.

In diesen Blog ist die Filter Bubble häufig bezweifelt worden. Denn die Nutzer wollen nicht nur isoliert von anderen ihre Sicht auf die Welt bestätigt sehen, sie sind auch in ständigen Kommunikationsprozessen mit ihrer Umwelt und müssen daher sich in ihrer Weltsicht hinterfragen, wenn sie noch kompetent an dem Kommunikationsprozessen teilnehmen wollen.

Am Beispiel des Autos kann man das deutlich machen. Selbst der größte Autofan wird es nicht überhören oder überlesen können, dass sein Lieblingsfahrzeug in der Kritik steht und die Feinstoffbelastung in großstädtischen Ballungszonen rasant zunimmt, dass Fahrverbote täglich wahrscheinlicher werden. Natürlich kann er sich in eine Filter-Blase begeben und überwiegend die Berichte lesen, dass die Abgaswirkung von Autos immer besser wird und es überhaupt keine Probleme mit Schadstoffbelastung gibt, bzw. dass dies böse Verschwörungstheoretiker sind, die behaupten, dass die Automobilindustrie Software entwickeln lässt, die Schadstoffausstoßwerte gezielt für die Prüfstände und nur dort nach unten führt.

Aber wenn dieser Nutzer dann überlegt, sich ein neues Auto zu kaufen, dann wird es doch plötzlich interessant zu erfahren, wie den die Zukunft bestimmter Antriebsarten aussieht. Schließlich möchte man kein Auto kaufen, das dann schon ein paar Jahre später in bestimmten Zonen nicht mehr genutzt werden kann.

Das Argument lässt sich verallgemeinern: Immer dann, wenn es ans Zahlen geht, nimmt man eine neue Haltung ein, und ist gezwungen über den Tellerrand der eigenen Vorurteile hinweg zu blicken. Es sei denn, man hat ungebremst Geld zur Verfügung und kümmert sich nicht darum, was die Welt über das eigene Konsumverhalten denkt. Solche Leute soll es geben, aber deren Zukunftsorientierung sieht nicht unbedingt gut aus.

Nun gibt es auch Kritik am Konzept der Filter Bubble aus dem kommunikationswissenschaftlichen Bereich. Der Medienexperte Bernhard Pörksen hat ein Buch gegen die Filter Bubble geschrieben. Er diagnostiziert das Gegenteil: Filter Clash (Filter-Zusammenbruch). Durch die moderne Internet-Entwicklung werden Kommunikationsprozesse intensiviert und es ist nicht mehr so einfach wie früher, sich in isolierten Welten zu verkapseln, denn die anderen Kommunikationspartner machen in ihren Welten deutlich, dass die äußere Realität vielgestaltiger ist, als wir uns das wünschen.

Zwar leben Menschen in unvermeidlich vorgefilterten Wahrnehmungswelten, in der sie sich es behaglich einrichten und in der die Welt noch in Ordnung ist, selbst wenn draußen alles zusammenbricht. Doch diese Filter sind nicht in erster Linie Bestandteil der menschlichen Natur, sie sind variabel, weil nur so das Überleben in einer sich laufend veränderten Welt gesichert werden kann. Gerade das Internet hat hier viel Potential, diese Filter aufzubrechen, deshalb sind die gegenwärtigen Zeiten eher als Zusammenbruch (Clash) des Etablierten und Eingefahrenen zu sehen. Man kann den Brexit oder die Wahl eines Trumps auch so verstehen, dass alte und gewohnte Informationsmonopole (Gate Keeper) aufgelöst werden. Das dadurch jeweils entstehende Ergebnis muss aber nicht immer in eine Richtung gehen (rechter Populismus), es sind auch Varianten denkbar, die auf neue Art alte etablierte Muster durchbrechen (linker Populismus, wie man ihn bei Podemos in Spanien oder bei der 5-Sterne-Bewegung in Italien feststellen kann).

Man kann auch aus dieser Diagnostik ableiten, dass das Setzen auf Segmentierung bei der Suchmaschinen-Optimierung und im Online-Marketing zumindest dann fatal ist, wenn es um Themen geht, die Gegenstand des gesellschaftlichen Diskussionsprozesses sind. Wer Autos oder Nahrungsmittel vermarken möchte, tut gut daran, sich auch um die Auswirkungen seiner Produkte zu kümmern und wenn es ihm gelingt mit seinen Kritikern einen produktiven Dialog zu führen, dann wird er besser für die Zukunft aufgestellt sein, als wenn er sich in seine gemütlichen Filter Blase zurückzieht.  Diesen Dialog gilt es dann zu verbreiten und zu verbreitern, wozu die herkömmlichen und neuen Instrumente von SEO und Online-Marketing kompetent zu nutzen sind.

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