Suchmaschinenergebnisse und Social Network Feeds sind personalisiert, dieses Phänomen ist zwischenzeitlich bekannt und es wird für allerlei Effekte verantwortlich gemacht. Die steilste These läuft darauf hinaus, dass jeder sich in seiner eigenen Filter Blase (Filter Bubble ist der englische Begriff) befindet und daher für andere Weltsichten nicht mehr erreichbar ist. Das wäre allerdings für Suchmaschinen-Optimierung fatal.
Letze Woche war die re:publica in Berlin und dort waren Filter das Top-Thema, was man einfach daran feststellen kann, dass der Begriff Filter bei der websiteinternen Suche eine Vielzahl von Veranstaltungen zurückliefert. Den Bloggern, Journalisten und Onlinemedien-Interessierten gefällt es nicht, dass sich in den sozialen Netzwerken der ganz normale Mann oder die ganz normale Frau breit gemacht haben, die hinsichtlich ihres Auftretens oft keine größere Kompetenz an den Tag legen, als man nach vielen Alkohol-Runden am frühen Morgen in jeder Kneippe erleben kann.
Offensichtlich scheine es vielen egal zu sein, wie sie im Internet rüberkommen. Politisch sei dies höchst relevant, nicht nur wenn man an die Wahlen in den USA oder an die Brexit-Entscheidung in Großbritannien denkt. Zwar liegt diese Einschätzung zur Problematik des Rechtspopulismus auch nicht deutlich über dem Kneippenniveau der linksradikalen Szene der 1980er-Jahre, doch es gibt für die Wirksamkeit der Filter viele wissenschaftliche Beiträge, die entsprechend populäre Sichtweisen stützen können.
Besonders erfolgreich war der Buchautor Eli Pariser, der bereits 2011 die Filter Blase (deutscher Buchtitel: Filter Bubble. Wie wir im Internet entmündigt werden) entdeckt zu haben glaubte. Viele Publizisten haben danach das Thema ignoriert, die Personalisierung von Social Media Plattformen und Suchmaschinen war nicht bekannt oder wurde als unwichtig eingestuft. Doch mit dem großen Erfolg des Rechtspopulismus wurden die Meinungen zu Filtern plötzlich sogar als Erklärung dafür genommen, dass viele Menschen den herkömmlichen Medienangeboten den Rücken kehren.
Für die Suchmaschinen-Optimierung ist die Personalisierung bei Google und anderen Suchangeboten natürlich höchst relevant. Man möchte ja mit seinen Webseiten beim Ranking in den angestrebten Zielgruppen wahrgenommen werden und nicht unbedingt beim allgemeinen Publikum. Bereits die Auswertung und Dokumentation des Rankings wird dann zum Problem, wenn man den Suchmaschinen ein Filter-freundliches Verhalten unterstellt.
Doch Detailuntersuchungen zu den Suchergebnissen zeigen immer wieder, dass Google (anders als Facebook) sehr vorsichtig mit Filter-Maßnahmen bei den natürlichen Suchergebnissen umgeht. Zwar werden lokalen Anfragen und Anfragen auf mobilen Endgeräten häufig von lokalen Filtern bestimmt, doch politische Filter bei Suchmaschinen für Wahlverhalten verantwortlich zu machen, erscheint gewagt. Schließlich zeigt Google immer viele Ergebnisse an und es müssen immer noch die Nutzer darüber entscheiden, welche diese Ergebnisse angeklickt und wahrgenommen werden. Das hinsichtlich dieses Klickverhaltens Filter in der Wahrnehmung der Nutzer vorliegen, scheint plausibel, kann man aber den Suchplattformen nicht in die Schuhe schieben.
Auch soziale Netzwerke werden hinsichtlich ihrer Filterwirkung überschätzt. Wer sich auf Facebook häufig bewegt, der wird bei der Auswahl seiner Freunde natürlich einen Filter verwenden, doch dafür kann man Facebook nicht verantwortlich machen. Der Nachrichtenstream wird allerdings nach undurchsichtigen Vorgehensweisen gesteuert, von denen man nur sagen kann, dass Facebook seine Anzeigenumsätze und die Aufenthaltsdauer der Nutzer als Steuerungskriterium verwendet. Das führt natürlich faktisch dazu, dass dann Filter gefördert werden, wenn die jeweiligen Nutzer psychologisch so gestimmt sind, dass sie sich bevorzugt gern sich dort aufhalten, wo ihre Meinungen bestätigt werden und wo sie nicht mit Informationen konfrontiert sind, die ihrer Weltsicht widersprechen.
Aber ist ein entsprechendes Menschenbild wirklich so prägend, wie allgemein angenommen wird? Menschen wollen zwar gern ihre Meinung bestätigt sehen, müssen sich dafür aber auf Kommunikationsprozesse einlassen, die weder von ihnen noch von automatischen Systemen (Algorithmen der Suche und des Rankings) total beherrscht werden können. Wer seine Meinung in sozialen Netzwerken deutlich vertritt (egal ob es um Katzencontent oder Flüchtlingskrise geht), der muss damit rechnen, dass er mit anderen Meinungen konfrontiert wird; denn die Beachtung der Aussagen geht üblicherweise über den engsten Freundeskreis hinaus und wird in den meisten Fällen sogar so gepostet, dass prinzipiell jeder Nutzer davon Kenntnis erlangen kann.
Auch Nutzer, die selbst nicht kommunizierten, werden jedoch bei der Beachtung von anderer Kommunikation stets auch mit unterschiedlichen Meinungen konfrontiert sein. Die können sie zwar schnell wegklicken, aber übersehen können sie nicht.
Sowohl für die Suchmaschinen-Optimierung wie für das Social Media Management kann also Entwarnung gegeben werden: Die Filter Blase ist nicht so wirksam, wie sich ihre Kritiker und Freunde es sich vorstellen. Wer was zu sagen hat oder interessanten Content für seine Zielgruppe anzubieten möchte, der wird seine Ansprechpartner auch erreichen können, wenn er geschickt genug den Content aufbereiten kann. Filter gibt es und Filter werden immer wichtiger (denn der Content wächst wesentlich schneller als die Aufnahmemöglichkeiten des Publikums), doch die Filter sind überwiegend beim Nutzer und nicht bei den Plattformen zu lokalisieren.