Das Stichwort Plattform-Kapitalismus ist nicht neu, doch es wird gegenwärtig sehr stark diskutiert, weil immer mehr Leuten klar geworden ist, dass die Machtzusammenballung bei den führenden Internetkonzernen zum Problem geworden ist, für das Lösungen gefunden werden müssen. Ein Teilaspekt dieser Frage ist die unterschiedliche Bedeutung der Daten bei den verschiedenen Internetkonzernen, eine Frage, die auch für Suchmaschinen-Optimierung relevant ist.
Nick Srnicek ist durch ein neues Buch zum Thema Plattform-Kapitalismus stark an der neu aufgeflammten Diskussion beteiligt, die ZEIT hat ihn interviewt und daraus die Click Bait-Schlagzeile „Wir müssen über Verstaatlichung nachdenken“ gemacht. Der Hintergrund der Diskussion ist die Frage der Macht, eine Tendenz zur Monopolisierung, wie man sie bei Suchmaschinen und Social Media beobachten kann, fördert erst wirtschaftliche und dann politische Macht, die nicht mehr ausreichend demokratisch kontrolliert werden kann. Die Macht wandert dann zu den Plattformen, also zu den Internet-Unternehmen Google (Alphabet), Facebook, Amazon und Apple und einigen weiteren etwas kleineren Unternehmen. Die Machtzusammenballung ergibt sich teilweise aus dem Netzwerkeffekt, der eine Bestätigung für die altbekannte These ist: Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen (Matthäus-Effekt). Wenn Plattformen wie Uber, Facebook, Amazon oder Airbnb erst mal eine gewisse Größe erreicht haben, dann muss man bei Ihnen mitmachen, wenn man seine Kommunikations- oder Interaktionsstrukturen beibehalten möchte.
So richtig diese Aussagen sind, so sehr müssen sie differenzierter betrachtet werden. Unterschiede zwischen Suchmaschinen und Social-Media-Netzwerken sind hier beim Netzwerkeffekt deutlich zu erkennen. Wenn fast alle meine Bekannten auf Facebook sind und die Plattform für vielfältige Aktivitäten nutzen, dann muss ich damit mehr oder weniger automatisch mitmachen, wenn ich nicht aus der Kommunikation herausfallen oder nach hinten gesetzt werden möchte.
Haben sich die Leute erst mal daran gewöhnt ihre Feten-Einladungen mit WhatsApp zu verschicken, dann kann es passieren, dass alle die vergessen werden, die kein WhatsApp haben oder diesen Datenkraken bewusst nicht nutzen wollen. Eine Suchmaschine wie Google muss man allerdings nicht nutzen, selbst wenn alle Freunde, Kollegen und Vorgesetzen dies tun. Google kann seine führende Marktposition nur halten, wenn die Suchergebnisse für die meisten Nutzer besser oder mindestens genauso gut wie die Konkurrenzangebote sind. Bzw. so lange die Nutzer dies glauben und kein besseres Suchangebot finden, werden sie dem Suchmaschinen-Marktführer treu bleiben.
Interessant für die Suchmaschinen-Optimierung ist im mittleren Teil des oben verlinkten Interviews die Frage der Datenqualität, die über das Nutzerverhalten bei Google im Vergleich zu Facebook vorliegen. Nach Ansicht von vielen Experten ist die Datenqualität bei Google besser, die personenbezogenen Daten die dort vorliegen, sind aussagekräftiger über das Verhalten und die Einstellung der Nutzer als die entsprechenden Daten bei Facebook. Das verwundert auf den ersten Blick, weil Google ja in vielen Fällen keine direkt personenbezogenen Daten haben kann. Außerdem ist die Zeit der Social-Media-Nutzung deutlich ausgedehnter als die der Suchmaschinen-Nutzung.
Die Daten bei sozialen Netzwerken sind deshalb weniger aussagekräftig, weil die meisten Nutzer dort nur über positive Dinge berichten und diese liken bzw. teilen, wenn man mal von den Echokammern oder Filterblasen der Populisten absieht, die aber auch nicht ihr authentisches Ich zeigen, wenn sie sich mit anderen zu Troll-Aktionen zusammenschließen. Wer ernsthaft sich mit seinen Problemen auseinander setzen möchte, wer beispielsweise eine Paartherapie braucht, der wird das weder twittern noch sonstwie verkünden, er wird aber bei Suchmaschinen wie Google dazu recherchieren und möglicherweise findet sich auch eine soziale Interaktion bei Google Plus, denn dort wird nicht so schnell deutlich, welche Vorlieben und Probleme ein Nutzer hat.
Wenn diese These der höheren Datenqualität bei Google stimmt, dann folgt daraus auch, dass es gut ist, bei Google vorne platziert zu sein und zwar sowohl bei den bezahlten Werbeplätzen (AdWords) wie bei den sogenannten natürlichen Ergebnissen. Wenn man ein Budget für Online-Marketing verwaltet, dann sollte man mal über die Prioritäten nachdenken. Immer mehr Geld für Social-Media-Marketing zu verwenden und dafür die Platzierungsbemühungen zu vernachlässigen, das ist kein zukunftsträchtiger Weg zum Erfolg in den Zeiten des Plattform-Kapitalismus.