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Kontrolle beim Online-Marketing

Kontrolle ist ein wichtiger Begriff beim Online-Marketing. Man möchte nicht nur eigene Verhaltensweisen einer strengen Kontrolle unterziehen, man möchte auch das Verhalten von Kunden und Interessenten genau beobachten und im Idealfall steuern können. Ob diese Art der Kontrolle bzw. Kontrollausweitung funktionieren kann, muss dann zweifelhaft bleiben, wenn man nicht bedenkt, dass zunehmende Kontrolle bei Kunden oder Interessenten Abwehrreflexe auslösen kann, was den Erfolg des Online-Marketings gefährdet. Bezieht man diese Rückkoppelung in seine Überlegungen ein, dass sollte recht schnell klarwerden, dass Algorithmen uns nicht dauerhaft fernsteuern können.

Kai Schlieter stellt in der taz vom 3.11.2015 („Wir sind Algorithmen-Zombies„) eine Algorithmen-Fernsteuerungs-These auf: Wir alle werden durch personalisierte Computerergebnisse ferngesteuert, ohne dass wir es merken. Diese steile These ist so neu nicht, verwundert habe ich mich allerdings dann, dass im letzten Absatz des Artikels dies als Definition von Kontrollverlust bezeichnet wird. Wenn unser Verhalten ferngesteuert wird, dann tritt doch eine Zunahme von Kontrolle ein, zwar nicht durch uns, sondern durch Mächtige über uns, die aber dazu wissen müssten, auf welche Signale wir in der Weise so reagieren, wie sie es wünschen. Klingt irgendwie nach Verschwörungstheorie …

Der Taz-Autor verweist zur Begründung seiner These zunehmender Kontrolle auf verschiedene Untersuchungen im Zusammenhang mit personalisierten Anzeigenergebnissen hin, wie man sie von der Suchmaschine Google und dem Online-Netzwerk Facebook her kennt. So ist schon lange klar, dass Nutzer von Google sich nur für die obersten Ergebnisse einer Suchanfrage anschauen, genauso wie sich Facebook-Nutzer oft nur für den Anfang des Nachrichtenstroms interessieren. Robert Epstein hat daraus einen Search engine manipulation effect abgeleitet, mit dem man Wahlergebnisse beeinflussen könnte: Man müsste lediglich oben auf den Ergebnisseiten von Google oder anderen führenden Webseiten das anzeigen, was die Wahlentscheidung in der gewünschten Richtung beeinflussen kann. So gewinnt man dann die Kontrolle über Interessenlagen und somit die Kontrolle über Handlungsentscheidungen. Dieser Effekt ist nicht unbekannt, wenn man vom Thema Wahlen auf die Entscheidungen beim Online-Marketing fokussiert.

Die Vertreter eines Search engine manipulation effect übersehen allerdings, dass man dazu wissen müsste, welche Suchergebnisse welche Effekte auslösen könnten. Ebenfalls wird übersehen, dass die Bevorzugung der obersten Ergebnisse nur solange funktioniert, wie die Nutzer der Suchmaschine daran glauben, dass dort die für sie besten Ergebnisse stehen. Eine gezielte Kontrolle zu Gunsten einer Seite kann zwar kurzfristig Erfolg haben, wie auch aus der beschriebenen Facebook-Untersuchung deutlich wurde, aber die langfristigen Effekte einer solchen Manipulationsstrategie sind schwer prognostizierbar. Suchmaschinen wie Google können nur dann langfristig Erfolg haben, wenn das Vertrauen in die Unabhängigkeit der „natürlichen“ Suchergebnisse bestehen bleibt. Deshalb ist die Forderung nach einer strengen Kontrolle der Suchergebnisse alles andere als zielführend.

Was die Kritiker der Big-Data-Manipulationsalgorithmen gerne übersehen ist der Rückkoppelungseffekt, der mit jedem Versuch der Kontrolle einhergeht. Wenn das Surfverhalten in China den Zugang zu Berufen steuert, dann kann das zunächst ganz gut klappen, doch die Betroffenen werden diese Art von Kontrolle wohl kaum unbemerkt hinnehmen. Sie werden in einen zweiten Schritt dann ihr Surfverhalten in die gewünschte Richtung verändern, um zu versuchen, den Algorithmus auszuhebeln bzw. für ihre Zwecke zu nutzen. Bei Suchmaschinen kennt man diesen Rückkopplungseffekt schon länger, er wird seit vielen Jahren sehr erfolgreich als Suchmaschinen-Optimierung praktiziert.

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