Noch macht fast jeder jeden Tag folgende Erfahrung: Man recherchiert bei Google oder im Netz allgemein nach einem Thema und man findet etwas, dass überhaupt nichts mit dem Thema zu tun hat. Möglicherweise verändert sich dadurch die Recherche und am Schluss hat man vergessen, warum es einem ursprünglich ging. Die kritische Frage ist nun: Wird diese Erfahrung von Serendipity, des glückliche Zufallsfundes, mehr und mehr der Vergangenheit angehören? Schließlich sind die Suchmaschinen-Ergebnisse personalisiert und angeblich so zielgenau, dass Serendipity zur Ausnahme wird. Für die Branche der Suchmaschinen-Optimierung könnte dies bedeuten: Man setzt in Zukunft beim Online-Marketing gezielt auf Effekte, die dem Besucher wieder an die Serendipity heranführen können.
Serendipity oder Serendipität wird als Begriff im Deutschen eher selten verwendet. Es geht um zufällige Beobachtungen, die nicht geplant oder gewünscht waren und trotzdem wichtig werden können. Wer einen Urlaub auf den Kanaren plant, dem fällt während der Recherche vielleicht nur zufällig ein Pelzmantel auf, der dort wohl kaum getragen werden könnte. Allerdings wendet sich der Nutzer, der für einen anschließenden Winterurlaub genau dies braucht von seiner ursprünglichen Recherche ab und wird damit zu einem sehr nachhaltig überzeugtem Käufer.
Für Marketing-Verantwortliche könnte dies bedeuten, dass sie auch in Online-Shops die Perspektive weiten sollten. Nicht nur passende Artikel – auch unpassenden Artikel – können für Begeisterung sorgen, wenn das Bewusstsein für Serendipity in den nächsten Jahren steigen wird und das immer gleiche Angepasste langsam nervt.
Freunde der Serendipity haben aber nicht nur mit der zunehmenden Fokussierung auf Personalisierung (Filter Blase) ein Problem. Ungeplante Glücksfälle können nicht geplant werden. Ist deshalb Serendipity für das Online-Marketing kaum verwendbar? Das müsste mal untersucht werden; gegenwärtig gehen fast alle Bemühungen in die andere Richtung. Man versucht den Nutzern bei der Recherche oder beim Kaufvorgang immer mehr vom gleichem zu bieten. Serendipity wirkt wie hier der Versuch, dem Zufall Sinn zu geben, wo er doch per Definition gar keinen Sinn haben kann. Die Vorstellung eines sinnvollen Zufalls ist nicht weit vom Aberglauben entfernt und wer die Bemühungen in der Esoterik-Szene verfolgt, der erkennt bald, dass hier unter falschen Voraussetzungen argumentiert wird.
Allerdings gibt es Forschungsergebnisse, die darauf hindeuten, dass Serendipity als Verhaltensdisposition nicht bei allen Menschen gleich verteilt ist. Es gibt Menschen, die arbeiten stur weiter, auch wenn eine interessante Variante in ihrem Leben wirksam werden könnte. Andere lassen sich leichter auf Abwege bringen, gelten oft als zufriedener und glücklicher, sind aber nicht unbedingt als Erfolgsmenschen gleich zu erkennen. Suchmaschinen wie Google und soziale Netzwerke wie Facebook setzen immer stärker auf den Trend, die Abweichung bzw. Serendipity zu eliminieren. Dem können Nutzer entfliehen, in dem sie gezielt vorbei am vorgegebenen Stream suchen. Oder indem sie mal die Suchmaschine wechseln oder den Nutzerverlauf löschen, um den vorgegebenen Mustern zu entkommen. Gegenwärtig ist das noch eher unüblich, zumal viele Nutzer schon jetzt ein Overkill-Gefühl haben, wenn sie nur die vorgegebenen Angebote halbwegs komplett nutzen wollen. Aber in Zukunft könnte die fehlende Serendipity stärker als Nachteil erlebt werden. Es ist also kein Fehler bereits heute aus dem Standard-Vorgehen auszubrechen und dem Nutzer gezielt Angebote und Hinweise zu geben, die abseits der vordefinierten Logik liegen.